Wissen ist Macht! – und dieser Umstand ist die größte Barriere für erfolgreiches Wissensmanagement in der Praxis – So oder so ähnlich hört man immer wieder wenn man mit Praktikern (und auch manchen wissenschaftlich Tätigen) über Wissensmanagement oder moderner Kompetenzmanagement spricht. Aber was steckt wirklich hinter dieser Aussage? Ist es wahr, dass Menschen allgemein häufig auf das Teilen von Wissen verzichten, da sich ein großer Teil ihrer (beruflichen) Macht durch dieses Wissen definiert? Ist dies wirklich die größte Barriere für die Umsetzung eines funktionierenden Wissensteilens in der Praxis?
Natürlich gibt es konkrete Beispiele für die Aussage. Auf der anderen Seite habe aber ich zumindest aus eigener Erfahrung den Eindruck, dass die Aussage in der Mehrheit der Fälle nicht zutrifft. Dass also das Machtargument nicht die größte Barriere für das Teilen von Wissen innerhalb von Organisationen ist. Aber gibt es empirische Belege für dieses Bauchgefühl?
Eine kurze Recherche zum Thema brachte tatsächlich eine Studie zu Tage, die sich mit Barrieren und Treibern beim Wissensteilen in (virtuellen) Communities of Practice beschäftigt: „Motivation and Barriers to Participation in Virtual Knowledge-Sharing Communities of Practice“ von Ardichvili, Page und Ventling (2002) – (eine aktualisiert Fassung findet sich auch im Journal of Knowledge Management /(1):64-77, März 2003).
Ergebnis der qualitativen Studie von Ardichvili et al. war u.a., dass keine Barriere der Form „knowledge as an individual’s private asset and competitive advantage“ zu finden war. Nur eine Minderheit der Befragten (weniger als 10%) glaubten, dass einige Angestellte kein Wissen teilen, weil sie es bei sich anhäufen wollen („information hoarding“). Die wichtigste festgestellte Barriere ging eher in die andere Richtung: „people are afraid that what they post may not be important (may not deserve to be posted), or may not be completely accurate, or may not be relevant to a specific discussion.“ Eng mit dieser Angst unwichtige oder unkorrekte Inhalte zu posten zusammen hing die Barriere, dass die Nutzer nicht immer wussten, was beigetragen werden darf und sollte.
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine weitere Studie von McLure-Wasko und Faraj (2005): „Why Should I Share? Examining Social Capital and Knowledge Contribution in Electronic Networks of Practice“ (PDF oder in der AIS Library). Hier wurde verschiedene Einflussfaktoren auf das Teilen von Wissen in elektronisch unterstützten Communities of Practice untersucht. Es zeigt sich, dass die Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und die gemachten Erfahrungen in einem Fachbereich eine große Rolle spielen. Je länger ein Mitarbeiter in einem Gebiet tätig ist, desto sicherer fühlt er sich mit seinen Aussagen und ist somit eher bereit sein Wissen zu teilen. Dafür muss er aber auch die richtige Ausgangsposition haben. Je besser vernetzt ein Mitarbeiter ist und je zentraler er im Unternehmen positioniert ist, je wahrscheinlicher teilt er auch sein Wissen. Die Studie kommt auch zu dem Schluss, dass sich dass sich die Beteiligung an solchen Aktivitäten sogar eher positiv auf das berufliche Ansehen auswirkt, was sich wiederum positiv auf die Vernetzung eines Mitarbeiters auswirkt.
Damit Wissensmanagement in der Praxis funktioniert ist es also von größter Bedeutung, den Beteiligten klare Hinweise dazu zu geben, was geteilt werden kann und soll – und was nicht. Dies kann sowohl über einfache Social Guidelines als auch über Beispiele gewünschter und erfolgreicher Nutzung der Plattform zum Wissensteilen erfolgen. Weiterhin kann ein positives Feedback zu geteiltem Wissen (Awareness über die Nützlichkeit der Plattform) sehr hilfreich sein, die Hauptbarriere anzugehen.